Ansprache des Zeitzeugen Alfons Jakobs, Rektor a.D.,
anlässlich der Einweihung des "Denkmals der Menschlichkeit"
für die Vinzentinerinnen im Kloster Schönecken. (27.11.2004)
 

Verehrte ehrwürdige Schwestern, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schöneckerinnen und Schönecker!

Rund 100 Jahre lang lebten und wirkten die Vinzentinerinnen in unserem Dorf und dem nahen Umland. Wer eine solch erfüllte Phase des Miteinanders von Dorf und klösterlicher Gemeinschaft beschreiben und anerkennen will, der greift zu Begriffen und Aussagen "wie christliches Engagement für die Mitmenschen", "gewachsene Verbundenheit mit der Gemeinde" oder auch "prägende Präsenz im Dorfleben". Diese Begriffe und Beschreibungsversuche sind inhaltlich zutreffend. Ich zweifele aber daran, ob sie aus der Distanz mehrerer Jahrzehnte wirklich anschaulich machen können wie die Nonnen in ihrem Kloster mit ihren Schutzbefohlenen gelebt haben, und wie sie hineingewirkt haben nach Schönecken, nach Wetteldorf und die benachbarten Dörfer. Auch, glaube ich, dass solche knapp zusammenfassenden Würdigungen kein lebendiges Bild davon vermitteln können, wie gegenwärtig die Vinzentinerinnen in unserem Alltag waren und wie wir, die Dorfleute, ihnen begegneten und ihr Wirken erlebten.

In meinem Beitrag zu dieser Feierstunde will ich versuchen, die Phase unserer Ortsgeschichte, die wir mit den Vinzentinerinnen geteilt haben, im Rückblick auf ausgewählte Begebenheiten ein wenig anschaulicher werden lassen. Ich greife dabei zurück auf einen Artikel mit dem Titel "Das Schönecker Klösterchen schließt seine Pforten", den ich im Jahr 1982 für unser Verbandsgemeindeblatt geschrieben habe.

"Alle Bürger von Schönecken bedauern den Weggang der Ordensschwestern, die seit 100 Jahren in der Dorfgemeinschaft verwurzelt waren, und deren Leben und Wirken hier jederzeit Hochachtung und Anerkennung fand." So konnte ich damals aus vollster Überzeugung in der Einleitung schreiben. Die wichtigsten Etappen dieser Verwurzelungsgeschichte will ich jetzt anhand dieses Artikels noch einmal Revue passieren lassen.

Das Schönecker Klösterchen, so heißt es im Volksmund, wurde 1893 gegründet. Es ist eine Stiftung des damaligen Pfarrers von Schönecken-Wetteldorf, Pastor Martin und seiner Geschwister. Sie kauften das Haus für 9.000 Mark. Am 04.08.1893 erfolgte die kirchliche Genehmigung für die Niederlassung. Am 26.05.1897 konnten 6 Schwestern nach Überwindung vieler Schwierigkeiten und der Einrichtung des Hauses durch die Stifterfamilie, ihre segensreiche Tätigkeit beginnen. Diese bestand in der ambulanten Krankenpflege und in der Betreuung und Pflege geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, darunter viele, die durch schwere geistige und körperliche Behinderungen dauernde Pflegefälle waren. Die Schwestern erteilten für Mädchen und Frauen Haushaltungsunterricht, leiteten eine Nähschule und betrieben auch den Schönecker Kindergarten. Während der Weltkriege und in Notzeiten haben die Schwestern sich in der ambulanten Krankenpflege und in der Betreuung der Wöchnerinnen, für die zeitweise eine Wochenstation im Klösterchen eingerichtet war, bis zur Erschöpfung eingesetzt. Oft waren sie tage- und nächtelang unterwegs, um den vielbeschäftigten Arzt zu unterstützen ("Weltweite Grippewelle nach dem 1. Weltkrieg mit vielen Toten"). Nicht vergessen ist bei den alten Bürgern von Schönecken der selbstlose und aufopfernde Pflegeeinsatz der Schwestern bei der Thyphusepedemie 1926 in Schönecken. Die Schulchronik berichtet, dass die 3 Schulsäle der Gemeinde als Isolierstation eingerichtet werden mussten und auf dem Schulhof noch eine Baracke eingerichtet war, um alle Kranken des Ortes aufnehmen zu können. Vor dem 2. Weltkrieg umfasste der Konvent 12 - 15 Schwestern. In der Nazizeit wurde ihm die Leitung des Kindergartens entzogen. Sie übernahmen in dieser Zeit die religiöse Unterweisung der Schüler außerhalb der Schule, als Religion als Schulfach verboten war. Schwer lastete in dieser Zeit auf den Vinzentinerinnen die Sorge um das Leben und das unbestimmte Schicksal der ihnen anvertrauten Kranken. Das Haus war überbelegt, weil viele Eltern in ihrer Angst und Not ihre geistig behinderten Kinder in die Obhut der Schwestern gegeben hatten. Hier wähnten sie diese sicherer vor dem Zugriff der Staatsgewalt, als in staatlichen Pflegeanstalten. Der Mut und die Tapferkeit der Schwestern und des betreuenden Arztes Dr. Schreiber, aber auch das hohe Ansehen, das die Schwestern in der gesamten Bevölkerung, der örtlichen Verwaltung und auch bei der örtlichen Partei genossen, schützte die unheilbar Geisteskranken im Klösterchen vor dem sogenannten "Euthansasiebefehl Hitlers". Es ist verbürgt, dass der in Schönecken unvergessene Sanitätsrat Dr. Schreiber, vor hohen Funktionären bei einem Besuch im Kloster drohte, alle Soldaten an der Front aus Schönecken-Wetteldorf in Kenntnis zu setzen falls Kranke aus dem Klösterchen verlegt und ihnen ein Leid zugefügt würde" (1. Bürgermeister nach dem Zusammenbruch, Peter Hannegrefs, Zeitzeuge).

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass nach den Fliegerangriffen im II. Weltkrieg viele Ausgebomte und Flüchtlinge liebevolle Aufnahme im Klösterchen fanden und Dank der Mildtätigkeit und der Nahrungsmittelspenden vieler Familien aus Schönecken und Umgebung, die Schwestern auch in dieser Notzeit für Hungrige und Obdachlose rettende Zuflucht sein konnten.

In den Folgejahren dieser Notzeit, meine sehr verehrten Zuhörer, kam ich als Junglehrer nach Schönecken. Von 1947 bis zur Schließung des Klosters im Jahre 1982 kann ich also aus eigenem Erlebnis über das Engagement der Nonnen und über deren Integration in unserem Dorf berichten. Ich will dies nun an einigen Beispielen tun:

Das Bild der mit wehender Tracht auf dem Fahrrad - später Mofa - ankommenden Schwester Herbertine hat sich mir wie vielen anderen Zeitzeugen eingeprägt. Sie leistete unschätzbare Dienste als mobile Krankenschwester. Munter, Zuversicht verbreitend, nicht selten mit einem Lied oder Scherz auf den Lippen betrat sie die Krankenzimmer und ich weiß aus vielen Fällen, dass gerade bei den Kindern in ihrer Patientenschar oft schon durch Herbertines bloßes Erscheinen die Besserung eintrat (Bei Wolfgang Lied: Ist der Bitburger Junge krank......)

Zu den Bildern, die ich nicht vergessen werde und auch nicht vergessen will, gehört der Marsch der kleinen Klosterprozession hin oder zurück vom Klostergarten, der in Richtung Bellert lag. Auf diesem Weg führten uns einige Schwestern (Schwester Giralda) mit ihren geistig behinderten Schützlingen und einem großen Handwägelchen auf dem sie Gerätschaften, aber auch geerntetes Gemüse für die Klosterküche (Schwester Carla) transportieren, mancherlei vor Augen:

Dass ihr Fleiß sich nicht nur auf Beten erstreckte, dass sie wie die Dorfleute bereit waren dem heimatlichen Boden etwas abzugewinnen, und dass sie imstande waren, dabei behinderte Menschen zu integrieren, ihnen Aufgaben und Sinn zu geben. Eine bloße Verwahranstalt war das Schönecker Klösterchen also nie, und damit sonderpädagogisch durchaus fortschrittlich.

An Bärbchen und Stina erinnere ich mich gut. Sie waren vielleicht die erkundungsfreudigsten Schützlinge der Nonnen und unternahmen manchen Ausgang ins Dorf, vor dem sie nicht um Erlaubnis gebeten hatten. (Alte Schule in der Nähe - über Kollegin Frl. Backes auch meine Freundin) - vor Namenstag immer ankündigen).

Man neigte dazu, über sie wie Kinder zu sprechen, dabei waren es an ihren Jahren gemessen erwachsene Frauen. Aber im Gemüt waren sie Kinder, die sich über eine Kamelle oder einen Groschen freuten. Unvergesslich ist mir, wie die beiden bei mancher Gelegenheit über die Praxis des "Betriebsausflugs" berichteten, den die Nonnen zur Freude ihrer Gruppe einmal im Jahr veranstalteten. Es gab eine Differenzierung, je nach Schweregrad der Behinderung. Die anspruchsvollste Tour führte nach Köln ins Mutterhaus des Ordens. Wer davon überfordert war, für den stand das Ziel Niederprüm mit dem dortigen Haus der Vinzentinerinnen auf dem Programm. Und diejenigen, mit denen auch diese kürzere Fahrt eine Strapaze oder ein Wagnis gewesen wäre, begleiteten die einsatzbereiten Schwestern auf eine Picknickwanderung in die Schönecker Schweiz. Bärbchen wusste ihre Beschreibung dieses dreigeteilten Betriebsausflugs mit drolligen Kommentaren zu versehen, aus denen man schließen konnte, wie sehr sie das Privileg genoss, auf die große Tour mitkommen zu dürfen.

Zu der erwähnten Kindlichkeit der Gemüter gehörte auch, dass es am 06. Dezember eines Nikolaus bedurfte, der Geschenke, aber auch Ermahnungen ins Kloster brachte. Dieses Ehrenamt durfte ich viele Jahre übernehmen (ausführen).

Zusammenhalt und Eintracht der klösterlichen Gemeinschaft ließ sich für die Bürger von Schönecken am Gruppenbild ablesen, mit dem die Klosterfamilie an Fronleichnam den vorüberziehenden Heiland in der Monstranz vor dem Kloster verehrte. Für die Teilnehmer der Fronleichnamsprozession war es ein eindrucksvolles und ergreifendes Bild. Die Behinderten mit Blumenkränzen, die Schwestern und ihr betreuender Arzt Dr. Schreiber. Für die Pfarrkinder war es ein vertrautes Bild, die Abordnung der Schwestern, die an Feiertagen eine ganze Kirchenbank füllten, beim Hochamt in der Kirche zu erleben. In der Spätphase des Klosters war ihre Zahl arg geschrumpft und den wenigen Schwestern, die noch da waren, sah man die Last der Jahre an. Nicht nur mich bekümmerte dieser Anblick, und wir empfanden die Ohnmacht, das Rad der Zeit nicht zurückdrehen zu können. Es fehlte dem Orden an jungen Schwestern, um das Werk fortzuführen und das Haus nach den neuen baulichen Vorschriften umzugestalten. Leidvolle Stunden waren für Schwestern und Kranke die Tage des Abschieds voneinander und von Schönecken. Viele Behinderte waren ein Leben lang im Klösterchen und fühlten sich in der Obhut und Gemeinschaft der Schwestern, aber auch des Dorfes geborgen und daheim. Sie waren aufgenommen und in die Gemeinschaft integriert, lange Zeit bevor das "Jahr der Behinderten" ausgerufen wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren: die Haltbarkeit einer Einschätzung oder eines Urteils kann man daran erkennen, ob man bereit ist, mit dem Abstand von 20 Jahren seine eigenen Worte öffentlich zu wiederholen. Für mich hat die Bewertung, die ich in den Tagen der Klosterschließung abgegeben habe, auch heute noch uneingeschränkt Bestand. Deshalb möchte ich sie abschließend zitieren: "Schönecken wird es vorerst noch schwer haben, im Wettbewerb "Unser Dorf soll schöner werden" einen Preis zu erringen. Als Preis von hohem Wert können die Worte von Schwester Oberin Bona gewertet werden, die beim Abschied bewegt feststellte, dass in all den Jahrzehnten ihrer Tätigkeit in Schönecken kein Bewohner des Klosters Abneigung, Spott oder gar Missachtung in der Dorfgemeinschaft erfahren musste. ("Ein Zeugnis der Werte, die Elternhaus, Schule und Kirche in Schönecken in dieser Zeit vermittelten"). "Schönecken wird ärmer sein, wenn die Schwestern, die zum vertrauten Bild der Dorfgemeinschaft gehörten, uns verlassen haben. Mit Dankbarkeit und Wehmut werden sich die Schönecker ihres Klösterchens und seiner Bewohner erinnern. Die Opfer der Stifterfamilie für dieses christliche Werk, aber auch die ungezählten Gaben und Spenden der Bürger von Schönecken und der umliegenden Orte haben viel Segen gebracht."

Liebe Festgemeinde: Als Zeitzeuge der Klostergeschichte, ein halbes Jahrhundert lang, freue ich mich mit vielen Schöneckern, dass durch dieses Denkmal die Erinnerung an die Vinzentinerinnen und ihr Lebenswerk lebendig bleibt. Ich danke allen, die zur Schaffung dieses Denkmals beigetragen haben. Ich wünsche uns, den zukünftigen Einheimischen und Gästen unseres Dorfes, dass dieses Standbild dazu anregt, sich auf die Schönecker Geschichte der Vinzentinerinnen und auf die Werte, die sie vorgelebt haben, zu besinnen.